Broschüre 2022

#CommunitiesSolidarischDenken – Zusammen als People of Color?!Überlegungen zu nachhaltiger Community-Zusammenarbeit III

#CommunitiesSolidarischDenken ist nun im dritten Jahr einer der thematischen Schwerpunkte bei xart splitta. Wir haben über Solidaritäten gesprochen, geschrieben und uns ausgetauscht – über gute und schlechte, gescheiterte und gelungene, schwierige und einfache, Solidaritäten, aufgrund von Gemeinsamkeiten oder trotz Differenzen. Ziel ist hier der Versuch, community-übergreifend zu
arbeiten und dabei bewusst Community-Verbindungen zu schaffen. Dazu gehört, Unterschiede und Gemeinsamkeiten in unseren Communitys zu thematisieren, um dadurch Handlungsstrategien
für community-übergreifende Zusammenarbeit und Solidaritäten (weiter) zu entwickeln und zu stärken.


Doch wen bezieht diese Solidarität mit ein? Wer zeigt sich hier solidarisch mit wem? Es ist sicherlich kein Geheimnis, dass diese Communitys mehrheitlich (intersektionale) BIPoC-Communitys sind. Mit unseren Forderungen von 2021 im Gepäck ist es nun an der Zeit, sich tatsächlich mit den Basics auseinanderzusetzen.

Dies haben wir wieder für euch in unserer Broschüre #CommunitiesSolidarischDenken – Überlegungen zu nachhaltiger Community-Zusammenarbeit III mit dem Titel “Zusammen als People of Color?!” zusammengefasst, welche hier als download verfügbar ist.

Wenn ihr eine Print-Version haben möchtest kontaktiert uns unter contact@xartsplitta.net.

10 Jahre xart splitta!

2012 wurden wir gegründet, deswegen feiern wir dieses Jahr 10 Jahre xart splitta. Gemeinsam mit euch und für euch möchten wir 10 Jahre Rückblicke und Einblicke schaffen und diese Stück für Stück auf unserer Homepage bereitstellen.

Dabei seid IHR der wichtigste Teil der letzten 10 Jahre, denn IHR seid xart splitta. Ohne eure Beiträge, eure Ideen, eure Kraft, euren Zuspruch, euren Support und euer Vertrauen wären wir heute nicht hier – xart splitta is because we are (Ubuntu).

Wir freuen uns daher auf eure Community-Beiträge, Highlights, bewegende Gespräche, berührende Momente, die euch besonders im Herzen geblieben sind aus den letzten 10 Jahren.
Schickt uns Videos, Bilder, Texte, Audionachrichten an contact@xartsplitta.net.

Wir freuen uns auf euren Rückblick!

10 Jahre xart splitta, hier ist unser Rückblick – Wer wir sind und einige (weil es gibt zum Glück so viele) unserer Highlights.


Iris Rajanayagam war 6 Jahre fester und wichtiger Teil von xart splitta und ist nicht zuletzt der Grund warum wir heute ein Raum von und für BIPoC Communities sind. Danke, Iris, für Deine Arbeit und Loyalität, Dein Input und Deine Gedanken.
Wir sind gespannt auf Deinen Rückblick:


Was bedeutet xart splitta für dich?

Im ersten Moment ist es tatsächlich schwierig zu sagen, was xart splitta für mich bedeutet, da ich im Laufe der Zeit mit xart splitta quasi mehr oder weniger „verwachsen“ bin. Ich habe mich sehr stark mit xart splitta identifiziert und habe meine Tätigkeit dort nie ausschließlich als meine Lohnarbeit betrachtet. Auch wenn ich natürlich durch meine Arbeit dort meinen Lebensunterhalt und den meiner Familie mitbestreiten konnte.
Ich gehe hier jetzt nicht weiter darauf ein, was xart splitta im Allgemeinen ausmacht, da sich das ja auf der Website nachlesen lässt. Aber in Kürze, würde ich gerne erklären was xart splitta für mich ganz persönlich bedeutet: Im Büro hängt an der Wand ein Zitat von James Baldwin, welches wir für unsere Zwecke leicht abgeändert haben: „The place in which we’ll fit will not exist until we make it”, dies fasst für mich sehr treffend zusammen was xart für mich war und ist. Es ist ein Raum, den wir stetig kollektiv gestalten und weiterentwickeln, ein dynamischer, sich kontinuierlich verändernder Raum, so wie es auch unsere Communities sind. Ein Ort an dem wir versuchen aufeinander zuzugehen, Räume für Reflexion und Austausch zu schaffen, möglichst in einem Safer Space und auch immer in engen Kontakt mit unseren Communities und den jeweiligen Bedarfen in diesem Zusammenhang. Im Prinzip könnte xart splitta teilweise sogar als eine Art Rückzugsraum betrachtet werden, der wenn ich mich nicht irre, eine Zeitlang in der Form tatsächlich auch relativ einzigartig war in Berlin. Ein weiterer Punkt, der für mich die Arbeit von xart splitta ausmacht ist, dass wir sozusagen auch geographisch auf mehreren Ebenen eingebunden sind und wahrgenommen werden, sowohl auf Kiezebene, als auch international und dementsprechend dazu auch in unseren Formaten und Zielgruppen sehr vielfältig sind.

Natürlich gab es mit der Zeit viele Veränderung sowohl thematisch als auch strukturell, zum Glück waren das vor allem schöne und zielführende Prozesse und Veränderungen. Es gab aber auch schwierige Zeiten und bis heute bleibt xart splitta ein Raum der, wie so viele Orte dieser Art sehr prekär ist in seinem Dasein. Nun hat xart splitta zwar immerhin durch die Förderung der LADS eine gewisse Stabilität erhalten können, dennoch ist diese weiterhin temporäre Natur und bringt auch nochmal andere Veränderungsprozesse und Dynamiken mit sich, die es wieder zu navigieren gilt.

6 Jahre xart splitta – Was ist Dein Rückblick, was waren Deine Highlights?

Es ist schwierig über Highlights zu sprechen, da in den sechs Jahren so viel Tolles passiert und entstanden ist, aufgebaut und weiterentwickelt wurde. Manchmal ganz kleine Dinge in eher intimen Kreisen mit wenigen Personen und wenig Öffentlichkeit, manchmal relativ groß und mit sehr viel Aufmerksamkeit von außen. Nicht zu vergessen sind die vielen schönen, inspirierenden und auch lehrreichen Momenten mit den über die Jahre wechselnden verschiedenen weiteren Teammitglieder xart splittas. Aber ich glaube, wenn ich drei (bzw. eigentlich vier) wählen dürfte, wären es (tatsächlich auch chronologisch) zunächst, die erste größere Reihe, die ich 2016 kuratiert habe: „Dekolonisierung in Kunst und visuelle Kultur“. Ich habe das Gefühl mit dieser Reihe wurde eine Art „Meilenstein“ (oder auch eine Art Fundament) gesetzt dafür was xart splitta bzw. die Arbeit und der Ansatz von xart splitta ausmacht, in welche Richtung wir uns bewegen und welche Form der Zusammenarbeit wir uns wünschen. Aus dieser Reihe sind sehr viele Kontakte entstanden, tolle neue Ideen und mögliche weitere inhaltliche Themensetzungen erwachsen.
Als zweites Highlight würde ich unser erstes großes Symposium, was 2018 stattgefunden hat nennen: „Neue Perspektiven auf Erinnerung. Narrative.Zukunft.“. Das ist eine Veranstaltung, die noch sehr lange in meiner Erinnerung bleiben wird. Es waren zwei sehr dichte Tage, an denen wir gemeinsam mit den Teilnehmenden und Referierenden unheimlich viel erlebt, erfahren und zusammen durchgekaut haben. Dazu gehörte es einerseits sich gegenseitig zu stärken, Wissen und Erfahrungen auszutauschen sowie kollektiv BIPoC Wissen zu produzieren und andererseits auch zu diskutieren, sich uneinig zu sein und schwierige Themen anzusprechen. Für mich persönlich kann ich sagen, dass es zwei sehr schöne Tage waren, von denen ich teilweise heute noch zerre und Gespräche mit Personen habe, die mit: „Weißt du noch damals beim Symposium…“ anfangen. Im Prinzip kann von da aus auch eine Linie gezogen werden zu einem weiteren tollen Projekt und zwar „Passing it On“, dass 2019 in Kooperation mit Nicola Lauré al-Samarai durchgeführt wurde und aus dem mein letztes und derzeit absolutes Favourite entstanden ist; die Online-Plattform The Living Archives, die Juliana Kolberg (jetzige Leitung) und ich gemeinsam aufgebaut haben. Hier ist ein Raum entstanden, in dem wir das was xart splitta im realen Raum ausmacht, auch digital umsetzen und festalten konnten, was, denke ich, auch in Bezug auf Verstetigung, Nachhaltigkeit und Barrierereduzierung ein unheimlich wichtiger Faktor ist.

Wenn ich auf die 6 Jahre, in denen ich Teil von xart splitta war, zurückblicke, was in dieser Zeit alles passiert ist, muss ich vor allem an die Kontakte, Bekanntschaften, Netzwerke, (tiefen) Verbindungen u.ä. denken, die entstanden sind. Ebenso, wie an die individuellen und kollektiven Prozesse, die stattgefunden haben und auch ganz praktisch, die Reichweite und den Impact, den xart splitta mittlerweile hat.
Ich denke wichtig wäre an dieser Stelle zu erwähnen, dass das was xart splitta ausmacht auch die ganzen vielen Personen sind, die in den letzten Jahren mit uns den Raum gestaltet, unterstützt und getragen haben und als Community auch in den schwierigen Zeiten für uns da gewesen sind. Ohne die – ohne euch – wäre xart splitta nicht das, was es heute ist. Ob im Großen oder im Kleinen, nach außen sichtbar oder eher im Hintergrund bleibend etc., kurzum xart splitta ist viel mehr, sind viel mehr, als es auf den ersten Eindruck vermuten lässt. Ich könnte jetzt anfangen aufzuzählen aber die Liste wäre für diesen Rahmen einfach zu lang und ich denke diejenigen wissen wer gemeint ist und dass wir ihnen unheimlich dankbar sind.
Um den Punkt abzuschließen – und das ist ja auch eine Prämisse von xart splitta – wäre es hier passend daran zu erinnern, dass wir nicht an dem Punkt wären an dem wir sind, den Mut und die Ressourcen hätten, wenn nicht andere vor uns den Weg geebnet hätten!

Ich wünsche xart splitta von Herzen alles Gute für den weiteren Weg, viel Kraft für etwaige Hürden und viel Hoffnung und Zuversicht für die Zukunft. Ich bin dankbar, für die schöne und stärkende Zeit, die ich dort verbringen konnte.


Iris Rajanayagam ist Historikerin (Köln, Dar es Salaam und Berlin) und arbeitet zu post- und dekolonialen Theorien, Intersektionalität, Erinnerungspolitik(en) und Social Change; ihr Fokus liegt hierbei insbesondere auf der Verbindung von Theorie und Praxis. Sie ist Referentin für Diversität, Intersektionalität und Dekolonialität bei der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb und ehemalige Leiterin der Organisation xart splitta , wo sie u.a. die Online-Plattform The Living Archives mitinitiiert und -aufgebaut hat. Überdies lehrte sie viele Jahre an der Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH) im Modul „Rassismus und Migration“ sowie im internationalen Masterstudiengang „Social Work as a Human Rights Profession”. Von 2017 bis 2019 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Praxisforschungsprojekt “Passkontrolle – Leben ohne Papiere in Geschichte und Gegenwart” an der ASH (Leitung: Prof. Dr. Iman Attia) und war an der Gestaltung der Seite Verwobene Geschichte*n mitbeteiligt. Zwischen 2019 und Juni 2021 war sie Vorstandssprecherin des Migrationsrates Berlin. Iris Rajanayagam ist überdies Mitbegründerin der Radiosendung „Talking Feminisms“ bei reboot.fm.

Broschüre 2021

#CommunitiesSolidarischDenken – Überlegungen zu nachhaltiger Community-Zusammenarbeit II

Seit 2020 beschäftigen wir uns bei xart splitta schwerpunktmäßig mit #CommunitiesSolidarischDenken. In diesem Jahr (2021) ging es um Selbstidentität und Solidarität aus Unterschieden, Differenzen und Komplexitäten heraus.

Was bedeutet Solidarität? Was bedeutet community-übergreifende Arbeit und was beinhaltet und benötigt eine solidarische Praxis? Wie können wir Communities bilden, die sich auch in Abgrenzungen, weiterhin solidarisieren?

Dies haben wir wieder für euch in unserer Broschüre #CommunitiesSolidarischDenken – Überlegungen zu nachhaltiger Community-Zusammenarbeit II zusammengefasst, welche hier als download verfügbar ist.

Wenn ihr eine Print-Version haben möchtest kontaktiert uns unter contact@xartsplitta.net.

Broschüre #CommunitesSolidarischDenken 2021

Update xart splitta zum Genderstern und Genderdoppeltpunkt

Eine Sprache oder Sprachpraxis, welche mehrdimensionale Diskriminierungen mit einbezieht, herzustellen, ist ein Prozess, in welchem wir durch Ausprobieren und kritischem Hinterfragen kontinuierlich weiterlernen müssen.

Anfang 2021 gab es viel Gespräch um Gendern und den Doppelpunkt. Dieser, so hieß es, würde, bspw. in Vorleseprogrammen, Barrieren reduzieren. Auf Grund dessen hatten auch wir uns für einen Wechsel zum Doppelpunkt entschieden. Zumindest kurzzeitig. Weiterführende, recht schnell darauffolgende, Auseinandersetzungen hatten jedoch gezeigt, dass der Genderdoppelpunkt nicht nur keine weiteren Barrieren abbaut, sondern leider geradezu gegenteilig nicht hilfreich diesbezüglich ist.

Zum Nachlesen: Der deutsche Blinden- und Sehbehindertenverein e.V. hat in einem Artikel zum Thema Gendern und Barrierefreiheit grundsätzlich empfohlen, nicht mit Sonderzeichen und/oder Typografie zu gendern, da es keine einheitliche Form gibt, wie Vorleseprogramme oder Screenreader mit den Zeichen umgehen sollen und dies zu Problemen beim Vorlesen führt. Zudem sind der Genderunterstrich und der Genderdoppelpunkt für sehbehinderte Menschen schlechter sichtbar als das Gendersternchen. Da der Genderstern die am häufigsten verwendete Art des Genderns ist, wird sie am ehesten von Software und Vorleser*innen auch als Gendern erkannt.

Aus diesen Gründen haben wir uns bereits 2021 dazu entscheiden zum Genderstern zurückzukehren.

An dem Abbau von Barrieren müssen wir kontinuierlich weiterarbeiten, weshalb dies nur eine momentane Lösung darstellen kann. Solche Veränderungsprozesse wollen wir solidarisch mit und durch unsere Communities umsetzen.

Wichtig ist es uns daher euch unsere Entscheidungsprozesse transparent zu machen, um zu einem gemeinsamen Diskurs beizutragen.

Mit vielen lieben Grüßen

Euer xart splitta Team

Stellungnahme zum Neuköllner Projekt „Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung“

24.01.2022

xart splitta hat die Stellungnahme zum Neuköllner Projekt „Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung“ mit unterzeichnet.

Was ist konfrontative Religionsbekundung?
„Es ist ja schon das Wort ‚Allah‘”

Der Berliner Verein Demokratie und Vielfalt (DEVI e.V). hat mit dem Projekt „Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung“ in Neukölln, das durch das Bundesfamilienministerium gefördert wurde, die Vorarbeit für eine Registerstelle geschaffen, die unter anderem Vorfälle und Erkenntnisse im Hinblick auf religiös konnotierte Konflikte in Schulen erfassen soll.


Das Vorhaben ist aus fachlich-pädagogischer Perspektive in vielfacher Hinsicht problematisch. Es weist gravierende konzeptionelle Schwächen auf und droht – entgegen dem erklärten Ziel, zum Schulfrieden beizutragen – vielmehr Konflikte zu verschärfen.

1) Gravierende konzeptionelle Schwächen

Bereits die dem Projekt zugrunde liegende Definition von „konfrontativer Religionsbekundung“1 weist erhebliche Schwächen auf. Sie nimmt keine klare Eingrenzung des Phänomens vor. Es liegen keine belastbaren Kriterien für die Einordnung von Verhaltensweisen als „konfrontativ“ vor. Es wird der subjektiven Wahrnehmung von Lehrkräften überlassen, was als „konfrontativ“ zu bewerten sei und was nicht. Dies wird in der Praxis unweigerlich zu Fehleinschätzungen durch Lehrkräfte führen.


Die Perspektive von Schüler*innen und ihren Erziehungsberechtigten wird im Projektkonzept völlig außer Acht gelassen. Dabei ist ein multiperspektivischer Blick auf Konflikte essentiell, um sie verstehen und angemessen lösen zu können. Konflikte sind in der Regel multikausal. Ihre Lösung gelingt nur unter Berücksichtigung der vielfältigen Faktoren, die eine Rolle spielen. Dabei weisen die Interviews der Bestandsaufnahme selbst an verschiedenen Stellen etwa auf sozioökonomische Faktoren wie Wohnraumsegregation, fehlende Bildung und Arbeitslosigkeit hin, die schulische Konfliktlagen wesentlich bedingen.2 Eine Schulleitung erklärt sogar, dass Konflikte, die „auf den ersten Blick einen religiösen Hintergrund haben, nicht unbedingt wirklich religiöser Natur“3 seien. Dies wird für eine differenzierte Bewertung und Einordnung nicht weiter berücksichtigt. Viele der angesprochenen Konflikte haben zudem überhaupt keinen expliziten religiösen Bezug.4


Das Projekt fokussiert ausschließlich muslimische Schüler*innen und ihre Religionspraxis, wenngleich formal alle religiös gefärbten Konfliktlagen erfasst werden sollen. Dabei ist vielfach belegt, dass Präventionskonzepte, die eine bestimmte Gruppe in den Fokus nehmen, Stigmatisierungseffekte auslösen. Vor dem Hintergrund der in der Gesellschaft weit verbreiteten antimuslimischen Einstellungen birgt dieses Projekt die Gefahr, die Diskriminierung einer bereits vielfach abgelehnten religiösen Minderheit zu befördern.5 Bestehende Probleme und Konflikte wie religiöser Konformitätsdruck oder Mobbing verschiedener religiöser Strömungen und Glaubensrichtungen bspw. yezidischer Minderheiten werden nicht benannt. Gleichzeitig haben Antisemitismus, Sexismus oder andere spezifische Diskriminierungsformen wie bspw. der anti-kurdische Rassismus oftmals nicht nur eine religiöse Komponente, sondern auch ethnische und nationale Dimensionen, welche hier ausgeblendet werden. Stattdessen wird eine sehr große und diverse islamische Religionsgemeinschaft pauschal und einseitig als Risikofaktor adressiert.6


Die Publikation, die der Verein als erste Bestandsaufnahme zum Projekt vorgelegt hat, macht nicht transparent, nach welchen Kriterien die befragten zehn Neuköllner Schulen (Primarstufe, Sek I, Sek II) ausgewählt wurden. Es bleibt unklar, ob etwa mit einer tendenziös-selektiven Auswahl ein erwünschtes Ergebnis bereits vorweggenommen wurde. Schließlich versteht der Verein „konfrontative Religionsbekundung“ ausdrücklich als eine Vorstufe von Radikalisierung und verfolgt damit eine alarmierende Entgrenzung des Präventions- und Interventionsfeldes Islamismus.7 Die Bestandsaufnahme der geführten zehn qualitativen Interviews macht deutlich, dass hier nicht nur eine unscharf formulierte Definition des Begriffs das Problem ist, der ansonsten relevante Phänomene von religiös geprägtem Mobbing oder religiöser Sozialkontrolle dokumentiert. Die Erhebung des Vereins belegt vielmehr die entgrenzte Anwendung des Begriffs. So werden etwa folgende Interview-Zitate ohne Kommentar als relevante Befunde reproduziert: „Es ist ja schon das Wort ‚Allah’. Es wird ja nicht gesagt ‚Gott‘, das ist ja nur das arabische Wort für Gott.“8 Auch die folgende grenzüberschreitende Beurteilung der Intimsphäre der Jugendlichen wird kommentarlos als Belegzitat für den untersuchten Begriff aufgeführt, wohlgemerkt unter der Voraussetzung, mögliche Vorstufen von Radikalisierung zu erfassen: „Wenn dann nicht einmal Jungen mit Jungen nackig duschen wollen, sondern eine Unterhose anhaben.“9 Die auf der Titelseite der B.Z. skandalträchtig zitierte Beleidigung einer Lehrkraft als „ungläubiger Hund“, die offenbar als besonders repräsentativer Befund der Bestandsaufnahme hervorgehoben wurde, dokumentiert im Bericht hingegen nur einen einzigen Fall, an einer einzigen Schule in einem jugendstrafrechtlichen Zusammenhang.10

2) Politische Instrumentalisierung schulischer Konflikte

Der Begriff der „konfrontativen Religionsausübung“ wurde mit einem im April 2021 beschlossenen Positionspapier „Politischer Islamismus“ der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in die breite Öffentlichkeit eingeführt. Das Papier sieht eine „breit angelegte Schulstudie“ vor, die „die Erfahrungen und Probleme von Lehrkräften mit islamistischen Einflüssen und Formen islamistisch motivierten Verhaltens“ erfassen soll.10 Explizit wird auch das Ziel formuliert, „konkrete Instrumente und Strukturen zum Umgang mit konfrontativer Religionsausübung im schulischen Regelbetrieb zu etablieren.“12 Dieselbe Zielstellung verfolgt auch das DEVI-Projekt, das nach Angaben des Neuköllner CDU-Bezirksstadtrats Falko Liecke von diesem „aufgelegt“13 wurde.


Der Hamburger CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries, der als „maßgeblicher Initiator und Autor“14 des Positionspapiers gilt, würdigt u.a. die Frankfurter Ethnologin Prof. Dr. Susanne Schröter als „Vordenkerin“15, die an dem Positionspapier „gedanklich mitgewirkt“16 habe. Prof. Dr. Schröter, die das Positionspapier, das „einzige wirklich ernstzunehmende Papier einer deutschen Partei“17 zum Thema nennt, begleitet auch die Vorbereitungen für die Neuköllner Registerstelle von DEVI e.V. wissenschaftlich, die das Bezirksamt als „bundesweites Pilotprojekt“18 vorstellt.


Dieses CDU-Vorhaben wird nun offenbar von Teilen der Berliner SPD unter Führung des Neuköllner SPD-Bezirksbürgermeisters Martin Hikel aufgegriffen, um das durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts als verfassungswidrig in Frage stehende Berliner Neutralitätsgesetz zu verteidigen. Der Geschäftsführer des Vereins DEVI e.V., Michael Hammerbacher, hat dabei zugleich federführend als Aktivist der Initiative PRO Berliner Neutralitätsgesetz eben diese Registerstelle gefordert.


Hier drängt sich unweigerlich der Verdacht auf, dass mit dem Projekt einer Registerstelle schulische Konflikte politisch instrumentalisiert werden sollen, um eine „gerichtsfeste“ Dokumentation von „konfrontativer Religionsbekundung und religiösem Mobbing“ an Berliner Schulen zu verfolgen, die beim anstehenden Gang zum Bundesverfassungsgericht im Streit um das Berliner Neutralitätsgesetz den Nachweis erbringen sollen, dass der Schulfrieden in Berlin nicht nur in zu prüfenden Einzelfällen, sondern in aller Regel durch religiöse Konflikte gefährdet sei.19 Diese politische Motivation, die einem handfesten Interessenkonflikt gleichkommt, wird von dem Verein ausdrücklich nicht geleugnet, sondern pädagogisch verteidigt.20 Das ist mit einer unabhängigen wissenschaftlichen Erhebung nicht vereinbar und widerspricht besonders der Clearing Funktion, die der Verein mit einer Registerstelle erfüllen müsste. Eine solche politische Instrumentalisierung schulischer Konflikte ist pädagogisch unverantwortlich, ganz gleich wie man sich zum Neutralitätsgesetz oder zur gesellschaftlichen Debatte um den sog. „Politischen Islamismus“ im Einzelnen positioniert. Das verkehrt Neutralität als zentralen Wert staatlichen Handelns ins Gegenteil.


Blickt man in die Bestandsaufnahme der von DEVI e.V. durchgeführten Interviews, erhärtet sich dieser Eindruck. Die Zitatauswahl der ersten Befragungsreihe schließt vielsagend mit einem Zitat zum Neutralitätsgesetz. Das Ressentiment im Unterton ist dabei kaum überhörbar: „Ich hoffe wir erhalten die Neutralität. Keine Lehrerin mit Kopftuch hier. Auf keinen Fall, das sendet ja wirklich noch andere Signale. Man trägt ja auch keine anderen religiösen Symbole. Also, Schule ist staatlich. Das hat da nichts zu suchen.“21 Wie es um die staatliche Neutralität in öffentlichen Schulen in Neukölln bestellt ist, dokumentiert der Bericht durchaus eindrücklich, der nur Schulen abbildet, die zu „deutlich über 90%“22 migrantisch geprägt sind. Eine Schulleiterin berichtet etwa, dass ein „Weihnachtsbaum und eine Krippe [sic.!]“ in der Schule stehen und der „christliche Festkalender kein Problem“ darstelle, weil muslimische Kinder die „musikalische Begleitung des Weihnachtsfestes durch den Chor“ mitgestalteten. Die politische Motivation der Erhebung dokumentiert schließlich die abschließende suggestive Frage an „alle Gesprächspartner*innen zu ihrer Definition des Schulfriedens“23. Diese kann nur verfassungsrechtlich geklärt werden und leistet zur symptomatischen Erhebung von Konflikten keinen erhellenden Beitrag.

3)  Gefährdung der Grundrechtskonformität schulischer Demokratiebildung

Mit dem Projekt sollen Lehrkräfte aufgefordert werden, die ihnen anvertrauten Schüler*innen auf Grundlage ihrer subjektiven Wahrnehmungen bei einer externen Stelle zu „denunzieren“, statt Konfliktsituationen unmittelbar (sozial-)pädagogisch zu bearbeiten. Das unbestimmt bleibende Verständnis eines „konfrontativen“ religiösen Verhaltens macht grundsätzlich jedes religiös gedeutete Verhalten, das in der „(Schul-)Öffentlichkeit“24 sichtbar wird, als „konfrontative Religionsbekundung“ deklarierbar. Das Vorhaben leistet damit nicht nur der Gefahr Vorschub, Schüler*innen zu stigmatisieren, sondern auch, sie in ihren Grundrechten zu beschneiden. Denn die Entscheidung des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts im sogenannten Kopftuchstreit 2015 hält ausdrücklich fest, dass negative Religionsfreiheit nicht vor der „Konfrontation“ mit Religion schützt. Damit steht die begriffliche Konstruktion auch in offenem Konflikt zur geltenden Verfassungsrechtsprechung.25 Aus grundrechtlicher und fachlich-pädagogischer Sicht kann und darf es nicht darum gehen, Schüler*innen die Bereitschaft abzuverlangen, ihr „religiöses Gewand abzulegen, wenn [sie] zum Beispiel in einem Theaterstück mitspielen möchten, am Bunsenbrenner hantieren oder am Barren turnen“.26 Genau darum geht es aber Kurt Edler, dem Erfinder des Begriffs „konfrontative Religionsbekundung“, der auch die wichtigste fachliche Referenz für das Projekt ist. Die von DEVI e.V. als Markenkern reklamierte „Grundrechtsklarheit“27, die etablierten Angeboten vermeintlich fehle, entlarvt sich bei näherem Hinsehen als laizistische Vereinnahmung des Grundgesetzes. Es trägt jedenfalls nicht zum Schulfrieden bei, wenn den Schulen ein mit dem deutschen Verfassungsrecht nicht vereinbarer weltanschaulicher Laizismus verordnet wird. Das Scheitern dieses Ansatzes zeigt auch das französische Beispiel, das zu einer massiven gesellschaftlichen Polarisierung beigetragen hat und kein geeignetes Vorbild für deutsche Verhältnisse sein kann.28

4)  Bestehende Konflikte ernst nehmen – aber richtig!

Es gibt reale Konflikte an Schulen, die mit religiösem Konformitätsdruck, widerstreitenden Werthaltungen, religiös aufgeladenem Mobbing, etwa alevitischer, schiitischer oder yezidischer Schüler*innen oder gar ideologischer Radikalisierung zusammenhängen. Auch in Neuköllner Klassenzimmern sind – wie in der gesamten Gesellschaft – Fälle von Antisemitismus, Homo- und Transfeindlichkeit oder Sexismus ein ernstzunehmendes Problem. Diese Fälle sind hinlänglich bekannt und werden besonders im Hinblick auf muslimisch wahrgenommene Schüler*innen medial breit verhandelt.29 Diese Probleme müssen selbstverständlich immer pädagogisch bearbeitet werden. Schüler*innen können dabei zugleich Diskriminierungen erleben und selbst diskriminieren. Wo Lehrkräfte überfordert sind, müssen sie die notwendige Unterstützung erhalten. Die Meldung an eine externe Stelle durch Lehrkräfte wird hier keine Entlastung bringen, sondern eine Kultur der Denunziation etablieren und das Vertrauensverhältnis zwischen Lehrkraft und Schüler*in zerrütten.


Schulbezogene Konflikte werden dabei bereits staatlich umfassend adressiert. Der Berliner Senat hat sowohl eine Anti-Mobbing-Beauftragte als auch eine Anti- Diskriminierungsbeauftragte für Schulen, die z.T. auch statistische Erhebungen über ihre Beratungs- und Interventionsfälle erstellt haben. Darüber hinaus können in jedem Schulbezirk bereits niedrigschwellige Gewaltvorfälle wie Beleidigungen und selbstverständlich auch Mobbing beim Schulpsychologischen Inklusions- und Beratungszentrum (SIBUZ) gemeldet werden, das diese Meldungen auch statistisch erfasst und die Schulen mit spezialisierten Fachleuten begleitet oder ggf. an kompetente Stellen verweist. Bei der Fallschilderung können dabei auch die konkreten thematischen Konfliktlagen beschrieben werden.30 Es gibt zahlreiche qualifizierte Fachträger, die Schulen mit bewährten Ansätzen und Beratungsangeboten unterstützen. Lehrkräfte können zudem heute bereits die bestehenden Angebote des DEVI e.V. nutzen, der mit seinem Projekt etablierte Träger und ihre staatlichen Förderung als „hegemonialen Mainstream der Präventionsarbeit“ diskreditiert.31 Zielgruppenspezifische schulischeUnterstützungsangebote gibt es sowohl gegen Antisemitismus und Sexismus als auch zu geschlechtlicher und sexueller Vielfalt.


Förderprogramme des Bundesinnenministeriums, des Bundesfamilienministeriums sowie das Berliner Landesprogramm zur Radikalisierungsprävention stellen seit Jahren hohe Millionenbeträge für die pädagogische Präventionsarbeit zur Verfügung, gerade im Bereich der Islamismusprävention.


Allein das 2016 verabschiedete „Nationale Präventionsprogramm gegen islamistischen Extremismus“ stellte jährlich 100 Millionen Euro für dieses Interventionsfeld bereit und rückt dafür auch die Bildung in den Fokus. Damit sollte die außerunterrichtliche Prävention gegen Radikalisierung „auf dem Schulhof“ flächendeckend in Kooperation mit den Ländern ausgebaut und Beratungsangebote für den schulnahen Jugend- und Sozialraum gestärkt werden. Ein Beispiel hierfür sind die bundesweit an Schulen eingesetzten Respekt- Coaches.


Dabei zeigen unter anderem die Zahlen des Modellprojektes „CleaR – Clearingverfahren gegen Radikalisierung“, das zwischen 2016 bis 2019 in Nordrhein-Westfalen und Berlin durchgeführt wurde und in dieser Zeit 11 000 Schüler*innen erfasste, dass über die Hälfte der unter der Rubrik „islamistisch” gemeldeten Hinweise an den beteiligten Schulen keine „echten Fälle“ waren.32


An dieser Stelle sollte fachkundig darüber beraten werden, ob und welche weiteren pädagogisch-professionellen Ansätze zur Konfliktlösung an Schulen und zur Bearbeitung antidemokratischer Haltungen bedarfsorientiert angeboten werden können. Beispiele für solche Ansätze gibt es bereits, wie etwa die „Interreligious Peers“ oder „Dialog macht Schule“. Ohne eine bedarfsorientierte Stärkung von (sozial-)pädagogischen Regelstrukturen und eine umfassende diskriminierungskritische Professionalisierung von Lehrkräften wird es keine nachhaltigen Lösungen geben. In Bezirken, die von sozialer und schulischer Segregation betroffen sind, müssen Pädagog*innen angemessen entlastet werden.

Der richtige Umgang mit Konflikten entscheidet darüber, ob die vielschichtigen Ursachen identifiziert und so eine Lösung des Konflikts erreicht werden können. Eine politische Instrumentalisierung von schulischen Konflikten wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zu ihrer weiteren Verschärfung und einer stärkeren Entfremdung von Schüler*innen beitragen. Sollte es den Akteur*innen um eine grundsätzliche politische Debatte über Religion im öffentlichen Raum gehen, kann diese nicht glaubwürdig ausgetragen werden, wenn dies auf dem Rücken einer religiösen Minderheit geschieht, die zudem in Neukölln überwiegend aus sozial benachteiligten Verhältnissen kommt und mit Schüler*innen dabei eine besonders vulnerable Gruppe adressiert wird.

Der Bedarfsanalyse von DEVI e.V. wurde in einer Peer-Review der Soziologin Dr. Susann Worschech (Universität Frankfurt/O.) Unwissenschaftlichkeit bescheinigt. Dass der Verein für eine so komplexe und sensible wissenschaftliche Aufgabe weder über die wissenschaftliche Befähigung verfügt noch über die nötige politische Neutralität, liegt damit auf der Hand. Die Schlagzeilen, die ihre als „Studie“ verhandelte Bestandsaufnahme nicht nur in den Boulevardmedien provoziert hat, haben jetzt schon zur gesellschaftlichen Spaltung und zu eben jener Stigmatisierung beigetragen, vor der die von DEVI e.V. vereinnahmten wissenschaftlichen Evaluatoren des Landesprogramms Radikalisierungsprävention Prof. Dr. Jaschke und Prof. Dr. Tausendteufel eindringlich gewarnt haben.33 So identifiziert man Radikalisierungsprozesse nicht früher, so befördert man sie. Dass eine Analyse, die grundlegende wissenschaftliche Standards missachtet, in dieser Weise durch Ihre Veröffentlichung Schaden anrichten konnte, weckt Zweifel daran, ob die wissenschaftliche Begleitung durch Prof. Dr. Schröter über die erforderliche Sorgfalt bzw. die notwendige politische Unabhängigkeit verfügt.

5) „Hilferuf“ aus der Praxis?

Der von SPD-Bezirksbürgermeister Martin Hikel und dem CDU Bezirksstadtrat Falko Liecke zur Rechtfertigung der Registerstelle beschworene „Hilferuf“34 aus der Praxis ist in der Bestandsaufnahme des DEVI e.V. in der Tat deutlich zu vernehmen: „zu viel Arbeit, zu wenig Kapazität.“35 Durch die gesamte Bestandsaufnahme hindurch wird zudem die unzureichende Ressourcenausstattung der Schulen und Horte angesprochen. Nicht eine einzige Schule in dem Bericht fordert (fragwürdige) Registerstellen oder Studien. Gefordert werden stattdessen „ausreichend ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher“36, „ein richtiger islamischer Religionsunterricht“37, „mehr Wertschätzung“38 für Erzieher*innen, die „Veränderung des Schulsystems“39 nach skandinavischem Vorbild und ein „längeres gemeinsames Lernen.“40

Wir fordern deshalb:

1) Die Unterlassung der (Weiter-)Förderung des Projekts „Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung“ durch öffentliche Mittel. Diskriminierende Konzepte wie „konfrontative Religionsbekundung“, die im Konflikt mit der Verfassungsrechtsprechung stehen, dürfen keine weitere staatliche Förderung erhalten.


2) Die Förderung und den Ausbau der Arbeit der Anti-Mobbing-Beauftragten des Senats.


3) Den Ausbau diskriminierungskritischer (sozial-)pädagogischer Regelstrukturen, wo Schulen mit der pädagogischen Bewältigung von Konflikten jedweder Art überfordert sind.


4) (Religions-)Verfassungsrechtsbildung für alle Pädagog*innen und Schüler*innen, die nur dann demokratiepädagogisch wirksam werden kann, wenn sie mit einer antisemitismus-, rassismus- und diskriminierungskritischen Professionalisierung der Lehramtsausbildung einhergeht, die Religion als Diversitäts- und zugleich Diskriminierungsmerkmal (Berliner Schulgesetz Artikel 2) ernst nimmt. Da Schulen hierarchische Räume sind, müssen entsprechende Qualifizierungen mit Führungskräften auf Verwaltungs- und Schulebene beginnen.


5) Demokratiebildung muss dabei entsprechend dem in Artikel 1 des Berliner Schulgesetzes formulierten übergeordneten Bildungsziel von Schule eine Querschnittsaufgabe in allen Fächern werden, damit Lehrkräfte allen Formen von Diskriminierung immer (selbst-)kritisch pädagogisch entgegen treten, wenn sie im Schulalltag auftreten.


6) Die zeitnahe Einrichtung einer zentralen, unabhängigen und nicht weisungsgebundenen Informations- und Beschwerdestelle für Diskriminierungen in Schule und Kita, die beim Abgeordnetenhaus angesiedelt ist und mit ausreichend personellen Ressourcen und Sachmitteln ausgestattet ist. Diese kann bei Diskriminierungsfällen in Schulen für Rechts- und Handlungssicherheit sorgen.
Die Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) sollte in Kooperation mit dieser und mit zivilgesellschaftlichen Trägern ein stadtweites Monitoring von allen Formen von Mobbing und Diskriminierung datenschutzsicher entwickeln und umsetzen. Ausgehend von diesen stadtweiten Daten kann in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und den Verwaltungen, die sich im Querschnitt mit Prävention und Antidiskriminierung befassen, kontinuierlich ein Interventionsbedarf ermittelt werden. Entsprechend dieser Bedarfsermittlung können ggf. auch wissenschaftlich fundierte multiperspektivische Erhebungen zu allen relevanten Fällen von Mobbing und Diskriminierung berlinweit veranlasst werden. Auf dieser Grundlage können nachhaltige pädagogische Präventions- und Interventionsstrategien in Abstimmung mit zivilgesellschaftlichen Trägern kontinuierlich weiterentwickelt werden.


7) Die Einbindung der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, die das Sammeln und die Weitergabe von Daten über Schüler*innen überprüft.

ERSTUNTERZEICHNENDE

Mark Rackles, Staatssekretär a.D.
Aleksander Dzembritzki, Staatssekretär a.D.

WISSENSCHAFT

Prof. Dr. Micha Brumlik, Selma-Stern-Zentrum für Jüdische Studien, Berlin-Brandenburg
Prof. Dr. Maureen Maisha Auma, Professorin für Kindheit und Differenz, Hochschule Magdeburg-Stendal / Audre Lorde Gastprofessur für Intersektionale Diversitätsstudien, Berlin University Alliance
Prof. Dr. Vassilis Tsianos, Hochschule für Angewandte Wissenschaften – Fachhochschule Kiel, Vorstandsvorsitzender des Rates für Migration
Prof. Dr. Meltem Kulaçatan, Goethe Universität Frankfurt/Main, Vorstand Rat für Migration
Dr. Noa K. Ha, Rassismus- und Stadtforscherin, Weissensee Kunsthochschule Berlin, Schriftführerin Vorstand Rat für Migration
Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu, Universität Bremen
Prof. Dr. Paul Mecheril, Universität Bielefeld
Prof. Dr. Katajun Amirpur, Universität Köln
Prof. Dr. Werner Schiffauer, Universität Frankfurt/Oder
Prof. Dr. Stefanie Schüler-Springorum, Leiterin des Zentrums für Antisemitismusforschung, Technische Universität Berlin
Dr. Mark Terkessidis, Migrationsforscher, Berlin
Prof. Dr. Karim Fereidooni, Universität Bochum
Prof. Dr. Sabine Achour, Freie Universität Berlin
Dr. Ayşe Almıla Akca, Humboldt-Universität Berlin
Bahattin Akyol, M.A., Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Schirin Amir-Moazami, Freie Universität Berlin
Prof. Dr. Carmen Mörsch, Kunstdidaktik, Kunsthochschule Mainz / Johannes-Gutenberg Universität Mainz
Prof. Dr. Ulrike E. Auga, Humboldt-Universität zu Berlin / Universität Hamburg
Dr. Fatoş Atali-Timmer, Universität Oldenburg
Prof. Dr. Iman Attia, Alice Salomon Hochschule Berlin
Prof. Dr. Harry Harun Behr, Goethe-Universität Frankfurt/M.
Dr. Sara Binay, Humboldt-Universität zu Berlin
Dr. Arzu Çiçek, Universität Oldenburg
Dr. Aysun Doğmuş, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
Prof. Dr. Georg Essen, Humboldt-Universität zu Berlin
Mona Feise-Nasr, M.A., Humboldt-Universität Berlin
Prof. Dr. Christine Funk, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin
Dominik Gautier, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Systematische Theologie, Institut für Evangelische Theologie und Religionspädagogik, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Prof. Dr. Mohammad Gharaibeh, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Mechtild Gomolla, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
Prof. Dr. Tuba Isik, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Martin Jäggle, Universität Wien
Dr. Kien Nghi Ha, Kultur- und Politikwissenschaftler, Berlin
Prof. Dr. Juliane Karakayali, Evangelische Hochschule Berlin
Prof. Dr. Alexander Kenneth-Nagel, Universität Göttingen
Prof. Dr. Gritt Klinkhammer, Universität Bremen
Dr. Ellen Kollender, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg
Dr.in Veronika Kourabas, erziehungswissenschaftliche Migrations- und Rassismusforschung, Universität Bielefeld
Prof. Dr. Serdar Kurnaz, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Rudolf Leiprecht, Universität Oldenburg
Prof. Dr. Helma Lutz, Universität Frankfurt/Main
Prof. Dr. Claus Melter, Fachhochschule Bielefeld
Prof. Dr. Astrid Messerschmidt, Universität Wuppertal
Prof. Dr. Nicolle Pfaff, Universität Duisburg-Essen
Prof. Dr. Albert Scherr, Pädagogische Hochschule Freiburg i.Br.
Dr. Nahed Samour, Juristische Fakultät, Humboldt-Universität Berlin
Dr.in Saphira Shure, Universität Bielefeld
Prof. Dr. Teresa Schweighofer, Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Helena Stockinger, Katholische Privat-Universität Linz
Prof. Dr. Henrik Simojoki, Humboldt-Universität zu Berlin
Dr. Anja Steinbach, Universität Oldenburg
Dr. Jörn Thielmann, Islamwissenschaftler, Universität Erlangen-Nürnberg
Dr. Hannah Tzuberi, Institut für Judaistik, Freie Universität Berlin
Prof. Dr. Dr. Joachim Willems, Universität Oldenburg

ZIVILGESELLSCHAFT

Dr. Mehmet Daimagüler, Rechtsanwalt und Autor, Bonn
Ruprecht Polenz (CDU), MdB von 1994-2013, Berlin
Derviş Hızarcı, ehemaliger Antidiskriminierungsbeauftragter der Berliner Senatsverwaltung
Olenka Bordo Benavides, Leiterin der Anlauf- und Fachstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen und Kitas in Friedrichshain-Kreuzberg
Ali Can, Sozialaktivist (#metwo), Essen/Berlin
Barrie Kosky, Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper Berlin
Sharon Dodua Otoo, Schriftstellerin, Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin
Dr. Emilia Roig, Autorin / Center for Intersectional Justice, Berlin
Shlomit Tripp, Jüdisches Puppentheater bubales, Berlin
Dr. Eske Wollrad, Geschäftsführerin Evangelische Frauen in Deutschland
Esra Karakaya, Journalistin, u.a. Trägerin des Hildegard-Hamm-Brücher-Preises für Demokratisches Handeln und des Grimme-Online Award
Fereshta Ludin, Lehrerin, M.A. Schul- und Bildungsmanagement mit dem Schwerpunkt Diversität an Schulen, Autorin, Berlin
Dr. Britta Marschke, Islamwissenschaftlerin, Geschäftsführerin, Gesellschaft für interkulturelles Zusammenleben gGmbH (GIZ), Berlin-Spandau
Dr. Christian Staffa, Studienleiter an der Evangelischen Akademie zu Berlin, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus
Dr. Andreas Goetze, Landeskirchlicher Pfarrer für den interreligiösen Dialog in der
Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz
Dr. Gerdi Nützel, evangelische Theologin, Mitglied des Koordinierungskreises des Berliner Forums der Religionen, Berlin
Dr. Katrin Visse, Katholische Akademie in Berlin
Rabbiner Elias Dray, Berlin
Andreas Foitzik, Netzwerk rassismuskritische Migrationspädagogik, Tübingen
Julia Yael Alfandari, Kulturschaffende und diskriminierungskritische Vermittler*in, Berlin
Peter Conrad, ORR a.D., Rechtsanwalt und Steuerberater, Gründer und Geschäftsführer
meet2Respekt (Gustav-Heinemann-Preisträger), Berlin
Karim El-Helaifi, Sprecher neue deutsche organisationen, Gründungsmitglied der Vereine Schülerpaten Berlin und Schülerpaten Deutschland, Berlin
Biplab Basu, Reach Out, Berlin
Sanchita Basu, Reach Out, Berlin
Jospehine Apraku, Referent*in für diskriminierungskritische Bildungsarbeit, Berlin
Josephine Furian, Pfarrerin für Flüchtlingsarbeit / Evangelische Kirche Berlin Brandenburgschlesische Oberlausitz, Berlin
Dagmar Apel, Landespfarrerin für Migration und Integration der Evangelischen Kirche Berlin, Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Berlin
Luitgard Demir, Dipl. Religionspädagogin, Religion and Culture M.A., Projektkoordinatorin
Kinder erleben Religionen, Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Berlin
Bernhard Heider, Geschäftsführer von Leadership Berlin – Netzwerk Verantwortung e.V.
Pınar Çetin, Politikwissenschaftlerin, Berlin
Özcan Karadeniz, Verband binationaler Familien und Partnerschaften – Geschäfts- und Beratungsstelle Leipzig
Angela Berger, Werkstatt Religionen und Weltanschauungen, Berlin
Gisela Kranz, Werkstatt Religionen und Weltanschauungen, Berlin
Klaudia Höfig, Werkstatt Religionen und Weltanschauungen, Berlin
Paul Räther, Werkstatt Religionen und Weltanschauungen, Berlin
Ruthild Hockenjos, Werkstattt Religionen und Weltanschauungen, Berlin
Dr. Kai Linke, Lehrer, Nelson-Mandela-Schule, Berlin-Wilmersdorf
Gisela Bölling, Sozialarbeiterin / Social Justice und Diversity Trainerin, Berlin
Tobias Nolte, Lehrer in Neukölln, Bildungsinitiative related, Berlin
Goran Subotić, Lehrer, Walter-Gropius-Schule, Berlin-Neukölln

VERBÄNDE / VEREINE / INITIATIVEN

Antidiskriminierungsverband Deutschland (ADVD)
Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus e.V. (BAG RelEx)
GEW Berlin
Register Neukölln – Yekmal e.V.
Migrationsrat Berlin-Brandenburg
Anlauf- und Fachstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen und Kitas in Friedrichshain-Kreuzberg
Schule in Not e.V.
Aktionsbündnis muslimischer Frauen in Deutschland e.V.
BDB e.V. (Bund für Antidiskriminierungs- und Bildungsarbeit in der Bundesrepublik Deutschland)
Landesausschuss für Migration, Diversität und Antidiskriminierung (LAMA) der GEW 
I-Päd – Kompetenzstelle intersektionale Pädagogik
Gesellschaft für interkulturelles Zusammenleben gGmbH (GIZ), Berlin-Spandau
Verband binationaler Familien und Partnerschaften – Geschäfts- und Beratungsstelle Leipzig
Netzwerk rassismuskritische Migrationspkädagogik Baden-Württemberg
Berliner Netzwerk gegen Diskriminierung in Schule und Kita (BeNeDiSK)
ADEFRA Schwarze Frauen* in Deutschland e.V.
RAA Berlin e.V.
korientation. Netzwerk für Asiatisch-Deutsche Perspektiven e.V.
Netzwerk diskrimnierungskritische Bildungsarbeit Berlin
KiDs – Kinder vor Diskriminierung schützen an der Fachstelle Kinderwelten / Institut für Situationsansatz e.V.
Reach Out e.V.
Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus
Kompetenznetz Islam und Gesellschaft
Spandauer Jugend e.V.
xart splitta e.V.
neue deutsche organisationen – das postmigrantische netzwerk e.v.
Rroma-Informations-Centrum e.V.
RomaniPhen feministisches Rom*nja-Archiv e.V.
meet2respect gUG
Center for Intersectional Justice
Initiativkreis Dialog der Religionen für Kinder und Jugendliche des Berliner Forums der Religionen
Ohne Unterschiede – für einen fairen Umgang mit Muslim*innen e.V.
IDLL Intersektional diskriminierungskritisch Lernen und Lehren
Deutsche Islam Akademie
Your Local Empowerment Club, Lessing Gymnasium Berlin-Wedding
Oberstufenforum Religion & Politik, Walter-Gropius-Schule Berlin-Neukölln
Diversity Task Force, Nelson-Mandela-Schule Berlin-Wilmersdorf
SVK – Selbstverteidigungskurs mit Worten, mehrsprachiges und intergenerationelles Kollektiv

1 Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung. Vorabversion vorgelegt für das Bezirksamt Neukölln, Dezember 2021, S. 5. https://demokratieundvielfalt.de/wp-content/uploads/2021/12/DEVI_Broschuere_Anlauf_und_Dokumentationsstelle_konfrontative_Religionsbekundung_A4_ICv2_03c-doppelseiten.pdf Zuletzt abgerufen am 2.1.22, 23:00 Uhr. Entsprechend der konjunktionslosen syntaktischen Beiordnung der vier Definitionsmerkmale (“religiöse Praxen sowie religiös konnotiertes (Alltags)Verhalten, [1] die in der (Schul-)Öffentlichkeit ausgelebt und ausagiert werden, [2] auf die Herstellung von Aufmerksamkeit zielen, [3] provozieren wollen, [4] erniedrigen und/oder Dominanz herstellen sollen.“, [eckige Klammern von Autor*innen hinzugefügt] erfüllt offenbar jedes einzelne für sich bereits den Tatbestand einer „konfrontativen Religionsbekundung“. Damit kann grundsätzlich jedes religiös gedeutete Verhalten, das in der „(Schul)Öffentlichkeit“ sichtbar wird, als „konfrontative Religionsbekundung“ seitens des Schulpersonals wahrgenommen werden.
2 Vgl. Bestandsaufnahme Konfrontative Religionsbekundungen in Neukölln. Vorabversion vorgelegt für das Bezirksamt Neukölln, Berlin 2021, S. 5 und S. 31.
3 Ebd., S. 8. Den sozioökonomischen Zusammenhang von Konfliktlagen verdeutlicht auch dieses Zitat, das ebenfalls keine weitere Berücksichtigung für die Bewertung findet: „Familien, deren Bildungshintergrund deutlich besser ist, verziehen in andere Gegenden der Stadt, unabhängig von ihrer kulturellen und sprachlichen Herkunft, das gelte bei der Schülerschaft der Anemonen-Schule eben vor allem für muslimische, z.B. arabische Familien.“ [S. 19] Vgl. auch die über vier Jahre geführte Studie zu Berlin-Kreuzberg, die alle im Schulkontext auftretenden Probleme klar benennt ohne diese reduktionistisch auf Religion zurückzuführen: Werner Schiffauer/Meryem Uçan/Susanne Schwalgin/Neslihan Kurt, Schule, Moschee, Elternhaus. Eine ethnologische Intervention, Frankfurt/M. 2015.
4 Z.B. Bestandsaufnahme Konfrontative Religionsbekundungen in Neukölln. Vorabversion vorgelegt für das Bezirksamt Neukölln, Berlin 2021, S. 13: „Nur Araber dürfen beim Fußball mitspielen. Nur Türken dürfen ins Gebüsch.“ Hier verläuft die Konfliktlinie nicht entlang religiöser, sondern ethnischer Grenzen. Auch bei der Drohung: „Also in der Schule haben Sie das Sagen, und ab dem Schultor habe ich das Sagen und meine Gang.“ wird kein religiöser Zusammenhang ersichtlich. [S. 17]
5 Vgl. Pickel, G./Decker,O./Celik, K. et al. (Hg.), Berlin-Monitor 2021. Konturen antidemokratischer Einstellungen in Berlin. Rechtsextreme Einstellungen, Diskriminierungserfahrungen, antischwarzer Rassismus, Leipzig 2021. Der vom Berliner Senat in Auftrag gegebene aktuelle Berlin-Monitor dokumentiert in einer repräsentativen Erhebung, dass Muslim*innen unter den in der Hauptstadt diskriminierten Gruppen am häufigsten betroffen sind. Zu weit verbreiteten antimuslimischen Einstellung in der Bevölkerung vgl. auch die repräsentativen Erhebungen: Decker, O./Brähler, E. (Hg.), Autoritäre Dynamiken. Neue Radikalität – alte Ressentiments, Leipziger Autoritarismus-Studie, Leipzig 2020, S. 64; Zick, A/Küppers, B. (Hg.), Die geforderte Mitte. Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2020/21, Bonn 2021. Der Zweite Bericht der von der Großen Koalition berufenen Antidiskriminierungsstelle des Bundes weist im Hinblick auf muslimische Schüler*innen u.a. auf Beispiele „islamophobe[r] Strukturen seitens der Klassenlehrer*innen und der Schulleitung” hin [S. 54]. Eine Studie des Georg-Eckert-Instituts für Schulbuchforschung kritisiert, dass der Islam in Schulbüchern häufig als rückständig und bedrohlich dargestellt werde und Muslim*innen als „vormodern und daher zu Europa nicht passfähige ‚Andere“‘ präsentiert würden [S. 3]. Die experimentelle Studie „Max versus Murat“ der Universität Mannheim zeigt, dass Schüler*innen mit dem Namen „Murat“ für dasselbe Diktat bei gleicher Fehleranzahl von Lehramtsanwärter*innen schlechter bewertet werden. Die Antidiskriminierungsbeauftragte*n für Schulen der Berliner Senatsverwaltung verzeichnen schließlich für die Schuljahre 2016-2020 nicht nur einen nahezu verdoppelten Anstieg an antimuslimischen Diskriminierungsfällen. Unter allen rassistischen Diskriminierungen machen antimuslimische Vorfälle in allen statistisch erfassten Schuljahren den größten Anteil aus. [S. 6] Die mit Abstand meisten von ihnen gehen von Lehrkräften aus [S. 4].
6 Innerhalb der kurdischen Community gibt es wiederum religiöse Minderheiten wie die Alevit*innen und Yezid*innen, welche bereits in ihren Flucht- und Migrationsländern unter einem fundamentalistischen Islamismus und anti-kurdischem Rassismus gelitten haben. Dieses Phänomen setzt sich auch in der neuen Heimat Deutschland fort.
7 Vgl. Götz Nordbruch, Konfrontative Religionsbekundung als Synonym für Islamismus? Berlin 2021. https://www.ufuq.de/konfrontative- religionsausuebung-als-synonym-fuer-islamismus/ Zuletzt abgerufen am 23.1.22, 1:02 Uhr.
8 Bestandsaufnahme Konfrontative Religionsbekundungen in Neukölln. Vorabversion vorgelegt für das Bezirksamt Neukölln, Berlin 2021, S. 11: „Es ist ja schon das Wort ‚Allah‘. Es wird ja nicht gesagt ‚Gott‘, das ist ja nur das arabische Wort für Gott. Ich bin sicher, die meisten Kinder wissen gar nicht, dass das derselbe Gott ist, den die Christen und Juden haben. Es wird nur von Allah gesprochen. Es ist nur der eigene Gott.“
9 Ebd, S. 16.
10 Ebd, S. 16: „Die Margeriten-Schule sah sich mit einem Schüler konfrontiert, der äußerst aggressiv auftrat, einen pädagogischen Mitarbeiter als „ungläubigen Hund“ beschimpfte und auch Amok-Drohungen äußerte. Der Fall wurde an die Operative Gruppe Jugendgewalt (OGJ) und das LKA Berlin übergeben. Der Schüler wurde von der Schule verwiesen.“
11 Positionspapier „Politischer Islamismus“ der CDU/CSU Bundestagsfraktion vom 15.4.21, S.5. www.cducsu.de/sites/default/ files/2021-04/PP%20Politischer%20Islamismus.pdf Zuletzt abgerufen am 2.1.22, 23:00 Uhr.
12 Ebd.
13 Facebook Eintrag des Neuköllner CDU Bezirksstadtrats Falko Liecke vom 28.12.21, 19:09 Uhr: https://www.facebook.com/ falko.liecke Zuletzt abgerufen am 2.1.22, 23:00 Uhr
14 Politischer Islam in Deutschland. Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Bettina M. Wiesmann diskutiert mit Imamin Seyran Ates, Prof. Dr. Susanne Schröter und Christoph de Vries MdB. Podiumsdiskussion in der Evangelischen Akademie Frankfurt am Main vom 5.7.21. Zuletzt abgerufen am 2.1.22, 23:00 Uhr. Die damalige CDU Bundestagsabgeordnete Bettina M. Wiesmann bezeichnet Christoph de Vries in der Anmoderation als „maßgeblichen Initiator und Autor“ des Positionspapiers (Min. 17:44-17:49) www.youtube.com/watch
15 Ebd., Min. 41:47-41:49.
16 Ebd., Min. 42:00-42:02.
17 Ebd. Min. 34:20-34:24.
18 https://www.berlin.de/ba-neukoelln/aktuelles/pressemitteilungen/2021/pressemitteilung.1091087.php Zuletzt abgerufen am 23.1.22, 1:10 Uhr.
19 http://pro.neutralitaetsgesetz.de/berliner-neutralitaetsgesetz-wird-dem-bundesverfassungsgericht-vorgelegt-dies-allein-reicht-nicht Zuletzt abgerufen am 23.1.22, 1:10 Uhr.
20 Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung. Vorabversion vorgelegt für das Bezirksamt Neukölln, Dezember 2021, S. 29f. https://demokratieundvielfalt.de/wp-content/uploads/2021/12/ DEVI_Broschuere_Anlauf_und_Dokumentationsstelle_konfrontative_Religionsbekundung_A4_ICv2_03c-doppelseiten.pdf Zuletzt abgerufen am 2.1.22, 23:45 Uhr.
21 Ebd., S. 24.
22 Ebd., S. 5.
23 Ebd. S. 45.
24 siehe Anm. 1
25 Siehe: BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Januar 2015 – 1 BvR 471/10 – Rn. 104: „Die Einzelnen haben in einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, allerdings kein Recht darauf, von der Konfrontation mit ihnen fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen verschont zu bleiben.“ Zuletzt abgerufen am 2.1.22, 23:00 Uhr.
26 https://www.ufuq.de/ihr-betreibt-identitaetspolitik-ein-streitgespraech-mit-kurt-edler/ Zuletzt abgerufen am 2.1.22, 23:00 Uhr. 
27 Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung. Vorabversion vorgelegt für das Bezirksamt Neukölln, Dezember 2021, S. 44f. https://demokratieundvielfalt.de/wp-content/uploads/2021/12/ DEVI_Broschuere_Anlauf_und_Dokumentationsstelle_konfrontative_Religionsbekundung_A4_ICv2_03c-doppelseiten.pdf Zuletzt abgerufen am 2.1.22, 23:00 Uhr.
28 Vgl. Judith Kormann, Der Laizismus hat in Frankreich die Religion ersetzt, Interview mit Olivier Roy, in: NZZ vom 18.3.21, zuletzt abgerufen am 2.1.22, 23:00 Uhr. Der international renommierte Islamismus-Forscher Prof. Dr. Olivier Roy, der die französische Regierung seit vielen Jahren berät, konstatiert im Anschluss an die Anschläge in Paris, Nizza und Wien, dass der französische Laizismus, “also der Anspruch, die Religion im Privaten zu lassen“ dazu führe, dass „man weniger verbunden“ sei „mit einer Gemeinschaft. Das trägt zur Dekulturierung bei. Es führt dazu, dass die Betroffenen ihren Islam neu erfinden, manchmal auf radikale Weise.“ https://www.nzz.ch/international/olivier-roy-ueber-frankreichs-kampf-gegen-islamistischen-terror-ld.1601932 In einem anderen Interview kommentiert Roy zum französischen Laizismus: „Die verkrampfte Haltung gegenüber dem Islam als Religion ist eine paradoxe Konsequenz der Entchristianisierung und der Säkularisierung. Unsere Gesellschaften verlieren das Verständnis für das Wesen von Religiosität. Und weil man Religiosität als solche nicht mehr versteht, wird sie als bedrohlich empfunden. Die angestrebte Lösung soll darin liegen, Religion zu einer reinen Privatsache zu machen. Das zeigt sich zum Beispiel am jetzt wieder so viel diskutierten Kampf gegen den Separatismus, gegen die Selbstabsonderung religiöser Minderheiten oder bestimmter Bevölkerungsgruppen. (..) Die Reaktion des französischen Staats auf den Terrorismus besteht darin, zu sagen: Es gibt zu viel Religion. Das ist ein schwerer Fehler. Die Wahrheit ist: Es gibt zu wenig Religion, zu wenig Raum für Religiosität in unseren Gesellschaften. Das fördert die Gewalt.“ Aus: Daniel Binswanger, „Es gibt zu wenig Religion“, Interview mit Olivier Roy, in Republik vom 17.11.20. Zuletzt abgerufen am 2.1.22, 23:00 Uhr.
29 https://plus.tagesspiegel.de/berlin/das-fatale-gut-bose-muster-antisemitismus-unter-muslimischen-schulern-erfordert-starke- lehrer-354427.html Zuletzt abgerufen am 23.1.22, 1:14 Uhr.
30 www.berlin.de/sen/bildung/unterstuetzung/gewalt-und-notfaelle/informationen-fuer-eltern/ Zuletzt abgerufen am 23.1.22, 1:15 Uhr.
31 Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung. Vorabversion vorgelegt für das Bezirksamt Neukölln, Dezember 2021, S. 21. https://demokratieundvielfalt.de/wp-content/uploads/2021/12/ DEVI_Broschuere_Anlauf_und_Dokumentationsstelle_konfrontative_Religionsbekundung_A4_ICv2_03c-doppelseiten.pdf Zuletzt abgerufen am 2.1.22, 23:00 Uhr.
32 Vgl. https://docplayer.org/176136146-Praktische-handreichung-zur-radikalisierungspraevention-im-schulischen-kontext-clear- radikalisierung-gegen.html S. 42. An der Studie unter Leitung des Islamismusforschers Michael Kiefer nahmen sechs große Schulen der Sekundarstufe II, darunter drei Berufskollegs, mit insgesamt ca. 11.000 Schüler*innen teil.
33 Vgl. Hans-Gerd Jaschke/Helmut Tausendteufel, Wissenschaftliche Begleitung des Landesprogramms Radikalisierungsprävention, Berlin [Februar] 2018. Die wissenschaftlichen Evaluatoren Prof. Dr. Hans-Gerd Jaschke und Prof. Dr. Helmut Tausendteufel betonen, dass „Schulen auch zur Radikalisierung beitragen können. Schulversagen, Diskriminierung durch Lehrer oder Schüler, Mobbing usw. sind Faktoren, die Radikalisierungsprozesse anstoßen und befördern können.“ [S. 64] Sie warnen deshalb ausdrücklich, “nicht nur auf die beabsichtigten Wirkungen [der Präventionsarbeit| zu schauen, sondern auch auf eventuell auftretende ‚Nebenwirkungen‘. Da mit einem Präventions- und Interventionsprogramm meist etwas Negatives verhindert werden soll, werden Teile der Bevölkerung als Risikogruppen definiert, was möglicherweise Stigmatisierungseffekte zur Folge haben kann.“ [S.8] In ihrem abschließenden Fazit kommen sie zu dem Schluss, dass es „keiner grundsätzlichen Neuausrichtung des Landesprogramms“ []S. 88] bedarf.
34 https://plus.tagesspiegel.de/berlin/religioses-mobbing-an-berlins-schulen-wir-mussen-auch-im-alltag-hinschauen-wo-freiheit-bedroht- wird-350788.html Zuletzt abgerufen am 23.1.22, 1:16 Uhr.
35 Bestandsaufnahme Konfrontative Religionsbekundung in Neukölln. Vorabversion vorgelegt für das Bezirksamt Neukölln, Dezember 2021, S. 23.
36 Ebd.
37 Ebd.
38 Ebd.
39 Ebd.
40 Ebd. Diese Forderungen decken sich verblüffend mit den Empfehlungen der für die Konrad-Adenauer-Stiftung vorgelegten Expertise des Islamismusforschers Michael Kiefer: „Notwendig ist vielmehr eine Stärkung der Regelstrukturen. Jugendhilfe und Schule arbeiten bereits seit Jahrzehnten nach hohen qualitativen Standards. Insbesondere die Schulsozialarbeit wird immer bedeutsamer. Hier sollten Bund, Länder und Kommunen deutlich mehr finanzielle Mittel bereitstellen.“ Aus: Michael Kiefer, Konfrontative Religionsausübungen von muslimischen Schülerinnen und Schülern. Problemlagen und Handlungsmöglichkeiten, Berlin 2021, S.5. Diese Expertise beruht auf der in Anm. 31 zitierten dreijährigen Clearing-Studie, an der 11 000 Schüler*innen teilgenommen haben. https://bit.ly/3qOiGpZ Zuletzt abgerufen am 22.1.21, 6:00 Uhr